Die Kompass-Reihe für Studierende

Ein Blog- und Buchprojekt von Dr. Stephan Pflaum

Wie ein kleines Startup: die Promotion!

Der Dr.-Titel selbst mag außerhalb der Wissenschaft an Bedeutung verlieren. Aber die Skills, die Du während einer Promotion entwickelst, sind in jedem Beruf Gold wert. Warum promovieren einer Startup-Gründung ähnelt – und was Du dabei fürs Leben lernst.

In meinem Buch „Karriere-Kompass für Studierende“ schreibe ich: „Außerhalb der Wissenschaft spielt die Promotion eine immer geringere Rolle.“ Das stimmt auch weiterhin. In vielen Branchen ist der Doktortitel heute kein Einstellungskriterium mehr. Selbst in der Medizin ist er längst nicht mehr Pflicht auf dem Praxisschild.

Aber!

Aber – und das ist entscheidend – diese Beobachtung bezieht sich nur auf den Titel selbst. Die Kompetenzen, die Du während einer Promotion über drei bis fünf Jahre entwickelst, sind universell einsetzbar und in jedem Beruf wertvoll. Denn promovieren bedeutet weit mehr als Fachwissen vertiefen. Es bedeutet, ein komplexes Projekt eigenständig zu managen. Genau wie Gründerinnen eines Startups.

Du bist CEO Deiner Forschung

Wenn Du promovierst, übernimmst Du die Gesamtverantwortung für ein mehrjähriges Projekt. Niemand gibt Dir tägliche Anweisungen. Du musst Dein Forschungsvorhaben strukturieren, Meilensteine setzen, Ressourcen planen und immer wieder adjustieren, wenn etwas nicht nach Plan läuft.

Das ist exakt die Situation einer Startup-Gründerin: Du hast eine Vision – in Deinem Fall eine Forschungsfrage – und musst den Weg dorthin selbst gestalten. Du legst fest, welche Methoden Du nutzt, welche Literatur relevant ist, wie Du Deine Ergebnisse strukturierst. Diese Art von Selbstmanagement ist in der Arbeitswelt extrem gefragt. Ob im Projektmanagement, in der Strategieberatung, im Marketing oder in NGOs – überall brauchst Du die Fähigkeit, komplexe Aufgaben eigenständig zu planen und umzusetzen.

Aus meiner Erfahrung in Beratungsgesprächen weiß ich: Viele Studierende unterschätzen, wie wertvoll diese Kompetenz ist und verkaufen ihre Zeit in der Wissenschaft in CV und Vorstellungsgespräch unter Wert. Arbeitgeber suchen Menschen, die nicht nur Aufgaben abarbeiten, sondern auch Projekte und vor allem sich selbst eigenverantwortlich steuern können.

Netzwerken wird zur Lebensader

Kein Startup überlebt ohne Netzwerk. Die Promotion auch nicht. Du brauchst eine Betreuerin, die Dir fachliche Impulse gibt und Türen öffnet. Du brauchst Kolleginnen am Lehrstuhl, mit denen Du Ideen besprichst und die Dir emotionalen Rückhalt geben, wenn es schwierig wird. Du brauchst die Fach-Community, auf Konferenzen und in digitalen Netzwerken, um Deine Forschung zu validieren und sichtbar zu machen.

Genau wie Startup-Gründer benötigst Du Unterstützer, Feedback-Geber, Mentor:innen und Türöffner. Du lernst dabei, strategisch zu netzwerken: Mit wem sollte ich sprechen? Wer kann mir bei diesem methodischen Problem helfen? Wer hat Kontakte zu Journals oder Konferenzen? Diese Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, ist in jedem Beruf essentiell.

In meiner Zeit als Personaler in verschiedenen Unternehmen habe ich gesehen: Die erfolgreichsten Mitarbeiterinnen sind nicht nur die fachlich besten – es sind die, die wissen, wie man Netzwerke aktiviert, wie man Wissen, Menschen, Team und Organisation zusammenbringt.

Resilienz durch Rückschläge

Startup-Gründer:innen kennen das: Nicht jede Idee funktioniert. Investoren sagen ab. Produkte floppen. Umwege sind normal. Genau so läuft eine Promotion. Experimente scheitern. Hypothesen stellen sich als falsch heraus. Paper werden von Journals abgelehnt. Dein erster Konferenzvortrag läuft holprig.

Diese Erfahrung von Rückschlägen – und das Durchhalten trotzdem – ist ein unschätzbares Training für jeden Beruf. Du lernst, mit Ablehnung umzugehen, ohne persönlich verletzt zu sein. Du entwickelst Frustrationstoleranz. Du verstehst, dass Scheitern zum Prozess gehört und nicht das Ende bedeutet.

Viele Studierende in der Beratung erzählen mir von ihrer Angst vor Ablehnung – bei Bewerbungen, bei Pitches, bei Projekten. Wer promoviert hat, kennt Ablehnung als normale Arbeitsrealität. Das macht Dich psychisch robuster und langfristig erfolgreicher.

Problemlösung auf höchstem Niveau

Das Wesen einer Promotion ist es, ein Problem zu lösen, für das es noch keine Lösung gibt. Deine Betreuerin kann Dir nicht sagen: „Mach es so, dann funktioniert es.“ Du musst kreative Wege finden, Sackgassen erkennen, umdenken, neue Ansätze testen.

Startup-Gründer:innen stehen vor der gleichen Herausforderung: Niemand hat die Blaupause für ihr Geschäftsmodell. Sie müssen experimentieren, iterieren, pivotieren. Genau diese Fähigkeit – komplexe, unstrukturierte Probleme anzugehen und kreative Lösungen zu entwickeln – macht Dich für Arbeitgeber so interessant.

In der Beratung, im Management, in der Forschung und Entwicklung, in NGOs – überall werden Menschen gesucht, die nicht nach Schema F arbeiten, sondern eigenständig denken und neue Wege gehen können.

Kommunikation für unterschiedliche Zielgruppen

Eine weitere unterschätzte Fähigkeit: Als Doktorandin musst Du lernen, komplexe Forschung nicht nur für Fachpublikum sondern auch für eine breite Öffentlichkeit aufzubereiten. Auf einer Fachkonferenz sprichst Du anders als in einem öffentlichen Vortrag. Deine Dissertation schreibst Du anders als einen Fachartikel. Und wenn Du Drittmittel beantragst, musst Du Deine Forschung so darstellen, dass auch Nicht-Expertinnen den Mehrwert verstehen.

Diese Übersetzungsleistung – fachlich fundiert und gleichzeitig verständlich kommunizieren – ist in jedem Beruf essenziell. Ob Du als Produktmanagerin technische Features verkaufen, als Politikberaterin wissenschaftliche Erkenntnisse vermitteln oder als Journalistin komplexe Themen erklären willst – Du brauchst genau diese Kompetenz. (Auch wenn ein befreundeter Jorunalist mal mit Augenzwinkern meinte: Das erste, was wir promovierten Neueinsteigerinnen beibringen müssen, ist, die Sprache der Wissenschaft gegen die des Journalismus einzutauschen.)

Zeitmanagement unter Langzeitdruck

Drei bis fünf Jahre an einem Projekt arbeiten – das erfordert außergewöhnliches Zeitmanagement. Du musst kurzfristige Deadlines (Paper-Abgaben, Konferenzen) mit dem langfristigen Ziel (fertige Dissertation) in Einklang bringen. Du musst Prioritäten setzen: Was ist jetzt wichtig? Was kann warten? Wann muss ich Gas geben, wann brauche ich Pausen?

Auch hier die Parallele zu Startups: Gründer:innen jonglieren zwischen Tagesgeschäft und langfristiger Vision. Sie müssen entscheiden, wo sie ihre begrenzte Zeit und Energie investieren.

Diese Fähigkeit zum strategischen Zeitmanagement über Jahre hinweg – nicht nur für Wochen oder Monate – unterscheidet Dich von vielen anderen Bewerberinnen auf dem Arbeitsmarkt.

Der Mehrwert für Deine Karriere

In meinem Buch schreibe ich auch: „Bevor Sie ein Promotionsvorhaben angehen, sollten Sie sich bewusst machen, dass Sie sich in den meisten Fällen die nächsten drei bis fünf Jahre mit einem bestimmten Thema, mit einer Fragestellung auseinandersetzen werden.“ Diese Entscheidung will gut überlegt sein.

Aber wenn Du sie triffst, erwirb nicht nur einen Titel – Du durchläufst ein intensives Management-Training. Die Skills, die Du dabei entwickelst, sind die gleichen, die auch erfolgreiche Startup-Gründer:innen brauchen: Selbstmanagement, Resilienz, Netzwerkkompetenz, Problemlösungsfähigkeit, Kommunikationsstärke.

Der Doktortitel mag außerhalb der Forschung weniger zählen. Aber die Kompetenzen einer Promotion sind universell wertvoll – in jedem Beruf, in jeder Branche, in jeder Karrierephase.


Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit zwischen Dr. Stephan Pflaum und Claude (Anthropic). Die fachliche Verantwortung und inhaltliche Ausrichtung liegen bei Dr. Stephan Pflaum. Mehr Tipps und Infos findest du im Karriere-Kompass


Entdecke mehr von Die Kompass-Reihe für Studierende

Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert