…sondern vielmehr eine gelungene Selbstreflexion mit konsequentem Handeln!
Ich erinnere mich noch gut an das mulmige Gefühl, als ich nach vier Semestern Politikwissenschaft beschloss, den Studiengang zu wechseln. Soziologie sollte es werden. Vier Semester, zwei Jahre – das fühlte sich zunächst an wie verschenkte Lebenszeit. Die Karrierezeitschriften, die ich damals las, vermittelten mir das Bild, dass mir dieser Wechsel wohl bis zum Ende meiner Erwerbsbiographie vorgerechnet werden würde. Dass jedes Bewerbungsgespräch damit beginnen würde, dass ich mich für diese „verlorenen“ zwei Jahre rechtfertigen müsste.
Die Realität sah völlig anders aus. Tatsächlich wurde ich in meinem gesamten Berufsleben nur ein einziges Mal in einem Bewerbungsgespräch nach meinem Studiengangwechsel gefragt – und zwar kurz nach meinem Studienabschluss. Die Personalerin, die mir gegenübersaß, hatte selbst einen ähnlichen Wechsel vollzogen und fragte aus ehrlichem Interesse nach meinen Beweggründen. Es wurde kein Verhör, sondern der Auftakt für ein richtig gutes Bewerbungsgespräch, bei dem wir uns auf Augenhöhe austauschten. Diese eine Erfahrung hat mir gezeigt: Ein Studiengangswechsel ist kein Makel, den man ein Leben lang mit sich herumschleppt. Er ist eine ganz normale Station auf dem Weg zum eigenen Berufsprofil.
Heute, nach 25 Jahren in der Karriereberatung und vielen Jahren als Personaler, kann ich dir versichern: Zweifel am Studiengang in den ersten Semestern sind völlig normal. Die ersten zwei bis drei Semester kannst du ggf. ruhig als Orientierungsphase betrachten. Du kommst frisch von der Schule, hast vielleicht noch keine Vorstellung davon, was dich in deinem Studienfach erwartet – aber die Realität des Studiums sieht oft ganz anders aus als die Theorie in deinem Kopf.
Gefällt dir dein Studiengang? Wunderbar. Kommst du mit deinem Fach nicht zurecht oder merkst du, dass es doch nicht das Richtige ist? Dann geh in dich, wäge die Vor- und Nachteile eines Studiengangwechsels oder Abbruchs in Ruhe ab und hör nach sachlicher Abwägung auf deinen Kopf und(!) dein Bauchgefühl. Gewisse Zweifel am Studiengang sind normal. Werden diese Zweifel zu groß, ist ein Abbruch oder ein Wechsel kein Beinbruch sondern die bessere Entscheidung, als sich durch ein ungeliebtes Studium zu quälen.
Der veränderte Umgang mit „Scheitern“
Was sich in den letzten Jahren zum Glück deutlich verändert hat, ist der Umgang mit sogenannten Brüchen im Lebenslauf. Ich sage bewusst „Brüche“ und nicht „Scheitern“, denn das Wort Scheitern impliziert ein Versagen, wo eigentlich nur eine Kurskorrektur stattgefunden hat. In den letzten Jahren setzt sich mehr und mehr eine Veränderung im Umgang mit Krisen und Neuorientierungen durch. Sie werden – auch von Personalerinnen – als normale Bestandteile einer Karriere, eines Lebens gesehen.
Entscheidend ist nicht, ob du einen perfekt geradlinigen Weg gehst. Entscheidend ist, wie du mit Veränderungen umgehst, wie du Krisen meisterst und was du danach bewusst anders machst. Damit stellst du unter Beweis, dass du in der Lage bist, schwierige Situationen zu analysieren, Konsequenzen zu ziehen und einen Neuanfang erfolgreich zu gestalten. Das sind Fähigkeiten, die im Berufsleben Gold wert sind.
Als Personaler würde mich nicht interessieren, warum du vermeintlich „gescheitert“ bist. Mich würde interessieren, wie du mit dieser Erfahrung umgegangen bist. Was hast du aus der Situation gelernt? Wie hast du dich danach neu orientiert? Was hast du bewusst anders gemacht? Diese Fragen zeigen nämlich viel mehr über deine Persönlichkeit und deine Problemlösungskompetenz als ein lückenloser Lebenslauf, der keine einzige Kurskorrektur enthält.
Das Beispiel von Johannes Haushofer
Ein schönes Beispiel dafür, wie man mit dem Thema „Scheitern“ umgehen kann, liefert Johannes Haushofer, Professor an der renommierten Princeton University und anderen Top-Hochschulen. Er hat neben seinem klassischen Lebenslauf, der seine Erfolge dokumentiert, einen „Lebenslauf des Scheiterns“ veröffentlicht. Darin dokumentiert er all die abgelehnten Papers, die nicht erfolgreichen Bewerbungen, die abgebrochenen Studien. Seine Botschaft: Neben unseren Erfolgen gehören auch unsere Misserfolge zu unserem Leben und haben maßgeblichen Anteil an der Formung unserer Persönlichkeit.
Aus den meisten Krisen gehen wir reifer und gestärkt hervor. Und genau das kannst du auch in einem Bewerbungsgespräch zeigen: Nicht die Krise selbst macht dich interessant, sondern wie du damit umgegangen bist und was du daraus gelernt hast.
Lücken und Wenden sind normal
Ich versichere dir: Es gibt kein Leben ohne Lücken, Wenden und Brüche. Ging es bei der Erstellung von Lebensläufen bis vor wenigen Jahren in allen Ratgebern noch darum, vorhandene Lücken möglichst zu kaschieren oder ausführlich zu rechtfertigen, geht der Trend erfreulicherweise dahin, nur einige, bis zu ca. 6 Monate dauernde Lücken nicht mehr zu thematisieren. Und mit Wenden – das Wort gefällt mir noch besser als „Brüche“ – solltest du selbstbewusst und reflektiert umgehen.
Lücken von bis zu einem Jahr nach Abschluss eines Studiums, einer Ausbildung oder bis zu sechs Monate nach einem Jobwechsel sind völlig normal. Niemand erwartet, dass du nahtlos von einer Station zur nächsten wechselst. Es ist sogar gesund, sich zwischen größeren Lebensabschnitten Zeit zu nehmen, durchzuatmen und sich neu zu orientieren.
Selbst Studienabbrecher sind gefragt
Selbst ein kompletter Studienabbruch kann vor einem guten Neuanfang stehen. Es gibt immer mehr Unternehmen, die explizit bei Studienabbrecherinnen um Auszubildende werben. Warum? Weil diese Menschen oft eine sehr klare Vorstellung davon haben, was sie wollen und was nicht. Weil sie Durchhaltevermögen bewiesen haben, indem sie überhaupt ein Studium begonnen haben. Und weil sie die Reife besitzen, eine Entscheidung zu treffen, wenn etwas nicht passt. Du kannst z.B. eine Ausbildung starten und/oder dual weiterstudieren.
Reflexionsfragen vor einem Wechsel
Bevor du dich für einen Wechsel oder Abbruch entscheidest, solltest du dir aber zunächst einige Fragen stellen. Sprich mit Freundinnen und Kommilitoninnen über deine Beweggründe und such unbedingt auch die allgemeine oder fachbezogene Studienberatung deiner Hochschule auf. Die Leute dort haben schon hunderte solcher Gespräche geführt und können dir helfen, Klarheit zu gewinnen.
Hier sind einige Fragen, die dir bei der Entscheidungsfindung helfen können:
Warum hast du dich ursprünglich für dieses Studium entschieden? Geh zurück zum Anfang. Was waren deine Beweggründe? Welche Erwartungen hattest du? Das hilft dir zu verstehen, ob sich deine Prioritäten verändert haben oder ob das Studium einfach anders ist als gedacht.
Welche deiner Vorstellungen über das Studium haben sich erfüllt? Mach dir bewusst, was tatsächlich gut läuft. Manchmal fokussieren wir uns so sehr auf das Negative, dass wir die positiven Aspekte gar nicht mehr sehen.
Welche Vorstellungen haben sich nicht erfüllt und warum nicht? Sei hier ehrlich zu dir selbst. Liegt es am Studiengang, an der Hochschule, an den Dozierenden – oder vielleicht auch an dir selbst und deinen Erwartungen?
Was müsste sich ändern, damit sich deine Vorstellungen erfüllen? Manchmal braucht es keine komplette Neuorientierung, sondern nur eine Anpassung. Vielleicht hilft ein Schwerpunktwechsel, ein anderer Nebenfach oder ein Auslandssemester.
Was könntest du realistischerweise tun, um deine Vorstellungen zu erfüllen? Welche Handlungsspielräume hast du? Kannst du zusätzliche Kurse belegen, die dir mehr liegen? Kannst du eine Lerngruppe gründen? Gibt es ein Praktikum, das dir mehr Einblick geben könnte?
Was könnten andere realistischerweise tun? Gibt es Unterstützungsangebote an deiner Hochschule, die du nutzen könntest? Mentoring-Programme? Schreibberatung? Psychosoziale Beratung?
Welche konkreten Vorteile und Nachteile hätte ein Wechsel oder Abbruch? Mach eine ehrliche Pro-Contra-Liste. Und dann – und das ist wichtig – mach auch eine Liste mit den Vor- und Nachteilen einer Fortsetzung des Studiums. Manchmal wird einem erst im Vergleich klar, was wirklich die bessere Option ist.
Nachdem du diese Fragen für dich beantwortet hast, geh noch einmal in dich und überlege, welche Fragen dir besonders leicht oder besonders schwer gefallen sind. Das sagt oft mehr über die richtige Entscheidung als die konkreten Antworten.
Erfahrungen aus dem Mentoring
In meiner Forschung zum Thema Mentoring habe ich immer wieder erlebt, wie wertvoll es für Studierende ist, ihre Zweifel mit jemandem zu besprechen, der einen gewissen Abstand hat. Ein Mentee erzählte mir: „Eigentlich wollte ich mein Studium abbrechen. Ich dachte, ich schaffe es nicht. Die Gespräche mit dem Mentor haben mir da weitergeholfen. Ich habe dann etwas an meinen Schwerpunkten geändert.“ Eine andere Mentee berichtete: „Ich habe da lange herumgetan, wollte ganz aufhören mit dem Master. Aber ich denke, ich werde jetzt einfach zu einem anderen Master wechseln.“
Was mir bei diesen Geschichten auffällt: Es geht nicht darum, dass der Mentor oder die Mentorin die Entscheidung für den Mentee trifft. Es geht darum, dass durch die Gespräche Klarheit entsteht. Manchmal braucht es einfach jemanden, der einem gut zuhört, der die richtigen Fragen stellt und der einem Mut macht, auf die eigene Einschätzung zu vertrauen.
Ein Mentor erzählte mir: „Der Mentee war sehr selbstbewusst, hatte aber komplett übersteigerte Erwartungen an seine berufliche Zukunft. Der Blick war verstellt für das, was eigentlich für ihn gut und angemessen gewesen wäre. Ich war sehr glücklich, als er dann beschlossen hat, tatsächlich das Studium und Berufsziel zu wechseln.“
Psychische und physische Gesundheit geht vor
Was ich dir aber ganz besonders ans Herz legen möchte: Unabhängig von allen Karriereüberlegungen – achte in jeder Phase deines Studiums oder deines Berufslebens auf deine psychische und physische Gesundheit. Zweifel und Ängste gehören ab und an dazu. Das ist normal. Wenn du aber das Gefühl hast, dass diese Ängste oder Gefühle der Niedergeschlagenheit überhandnehmen, dann zögere bitte nicht und nimm die an allen Hochschulen angebotenen psychosozialen Hilfestellungen in Anspruch.
Es ist kein Zeichen von Schwäche, dir Hilfe zu holen. Im Gegenteil: Es ist ein Zeichen von Stärke und Selbstfürsorge, wenn du erkennst, dass du gerade Unterstützung brauchst. Die psychosozialen Beratungsstellen an den Hochschulen sind vertraulich, kostenlos und die Beraterinnen dort haben viel Erfahrung mit Studierenden in Krisensituationen.
Wie man über einen Wechsel spricht
Falls du dich für einen Wechsel entschieden hast und später in Bewerbungsgesprächen danach gefragt wirst, hier mein Tipp als ehemaliger Personaler: Sei selbstreflektiert, aber nicht defensiv. Die Gründe für einen Wechsel sind ganz unterschiedlich, und du solltest in der Lage sein, deinen Wechsel in wenigen Sätzen zu erklären – aber du musst dich nicht rechtfertigen.
Ein gutes Muster könnte so aussehen: „Ich habe nach zwei Semestern gemerkt, dass meine Vorstellungen vom Fach nicht mit der Realität übereinstimmten. Mir fehlte der praktische Bezug, den ich in [neuem Studienfach] gefunden habe. Diese Entscheidung war für mich ein wichtiger Lernprozess, weil ich dadurch viel klarer sehen konnte, was ich wirklich will.“
Oder wenn der Wechsel aufgrund schlechter Noten erfolgte: „Ich habe festgestellt, dass mir die spezifischen Anforderungen des Fachs nicht lagen. Statt mich durchzuquälen, habe ich mich für einen Neuanfang entschieden und [neues Fach] studiert, wo meine Stärken viel besser zur Geltung kamen. Das sieht man auch an meinen Noten im zweiten Studium.“
Entscheidend ist: Sprich über das, was du gelernt hast, nicht über das, was schiefgelaufen ist. Zeig, dass du aus der Erfahrung gewachsen bist.
Auch die Probezeit funktioniert so
Übrigens: Das Prinzip gilt auch später im Berufsleben. Ich kann mich gut an einen Job erinnern, den ich nach wenigen Monaten während der Probezeit kündigte. Mein Bauch sagte mir schon nach wenigen Tagen: „Hier wirst du nicht glücklich.“ Was mich trotzdem hielt, war die Angst, dass meine Kündigung als Versagen gewertet wird und ich nie wieder einen Job finden würde.
Tatsächlich wurde ich auch hier nur einmal danach gefragt, und zwar sachlich und ohne jede Wertung. Meine kurze und ebenfalls sachliche Antwort war: „Es hat einfach nicht gepasst. Ich habe mir den Job anders vorgestellt und vermutlich hat auch meine Arbeitgeberin etwas anderes erwartet, und so haben wir beschlossen, uns zu trennen.“ Das hat als Antwort gereicht. Und hätte jemand weiter nachgebohrt – was nicht passiert ist – hätte ich ergänzt: „Was, wie und wo ich arbeite, das muss nicht nur vom Verstand her passen, sondern es muss auch vom Bauch und Herz her passen. Das hat mich diese Episode gelehrt.“
Genau dafür gibt es übrigens die Probezeit: Für beide Seiten, die Arbeitgeberin und die Arbeitnehmerin, um herauszufinden, ob es wirklich passt. Wenn du ein Unternehmen in der Probezeit verlässt oder es sich von dir trennt, reflektiere selbstbewusst die Gründe und formuliere sie in Worte, sodass du deine Entscheidung in wenigen Worten begründen – nicht rechtfertigen – kannst.
Blick nach vorn statt zurück
Unabhängig davon, ob du dich für oder gegen einen Wechsel oder Abbruch entscheidest: Richte deinen Blick nach vorne. Was sind deine nächsten Schritte? Wenn du dich für einen Wechsel entscheidest: Wohin willst du? Was willst du beim nächsten Mal anders machen? Welche Erkenntnisse nimmst du mit?
Wenn du dich für eine Fortsetzung entscheidest: Was kannst du konkret ändern, damit es besser läuft? Welche Unterstützungsangebote willst du nutzen? Wie kannst du dein Studium so gestalten, dass es besser zu dir passt?
Mach dir einen konkreten Plan für die nächsten sechs Monate. Was willst du in dieser Zeit erreichen? Mit wem willst du sprechen? Welche Weichen willst du stellen? Ein konkreter Plan gibt dir Orientierung und nimmt etwas von der Unsicherheit.
Was du dir merken solltest
Lass mich zum Abschluss die wichtigsten Punkte zusammenfassen:
Zweifel sind normal. Die ersten Semester sind eine Orientierungsphase, in der du herausfinden darfst, ob dein Studiengang wirklich zu dir passt.
Ein Wechsel ist kein Scheitern. Es ist ein Zeichen von Reflexionsfähigkeit und Mut, eine falsche Entscheidung zu korrigieren.
Der Umgang mit Krisen zählt. Nicht die Krise selbst ist interessant, sondern wie du damit umgegangen bist und was du daraus gelernt hast.
Lücken sind akzeptiert. Pausen von bis zu ca. einem halben Jahr sind völlig normal und werden nicht mehr hinterfragt.
Gesundheit geht vor. Wenn die psychische Belastung zu groß wird, hol dir professionelle Hilfe. Das ist ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.
Sei selbstreflektiert, nicht defensiv. Wenn du über deinen Wechsel sprichst, erkläre die Gründe und was du gelernt hast – aber rechtfertige dich nicht.
Der Blick geht nach vorn. Wichtiger als die Vergangenheit sind deine nächsten Schritte und was du konkret anders machst.
Ich weiß, dass es sich in dem Moment, in dem du mit deinem Studium haderst, nicht so anfühlt. Es fühlt sich vielleicht an wie ein riesiges Problem, wie ein Versagen, wie das Ende deiner Karriere, bevor sie überhaupt begonnen hat. Aber glaub mir: Aus der Distanz betrachtet ist ein Studiengangwechsel eine Fußnote in deinem Lebenslauf, kein Kapitel, das deine ganze Geschichte definiert.
Was dich definiert, ist nicht, dass du einmal einen anderen Weg eingeschlagen hast. Was dich definiert, ist, dass du den Mut hattest, eine Entscheidung zu treffen. Dass du reflektiert genug warst, zu erkennen, was nicht passt. Und dass du die Stärke hattest, einen Neuanfang zu wagen.
Vertrau dir selbst. Hör auf dein Bauchgefühl. Und hab keine Angst vor Veränderung. Manchmal sind die vermeintlichen Umwege die direktesten Wege zu dem, was wirklich zu dir passt.
Mehr Tipps findest Du im Karriere Kompass und im Kompass zum perfekten Praktikum.
Hinweis: Dieser Text ist in Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI entstanden. Dabei bin ich, Dr. Stephan Pflaum, der „Koch“, der die Inhalte, Expertise und Perspektiven einbringt. Die KI übernimmt die Rolle des „Kellners“, der bei der Formulierung und Strukturierung unterstützt. Alle fachlichen Inhalte basieren auf meiner 25-jährigen Beratungserfahrung und meinen eigenen Erfahrungen als ehemaliger Studierender und Personaler.


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